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Archiv-Artikel

Neururers Erneuerung

Gegen Nürnberg bot Peter Neururer eine Mannschaft auf, die auch ein Nachfolger aufgestellt hätte. Der simulierte Trainerwechsel beim VfL war billiger und erfolgreich – er könnte Schule machen

Neururer erfand sich neu und erinnert jetzt an Friedhelm Funkel

AUS BOCHUMCHRISTOPH SCHURIAN

Auch Vereinsangestellte zieht es nach dem Spiel in den Presseraum. In den letzten Wochen suchte das Team der VfL-Geschäftsstelle dann den Trost bei Reportern und Trainerstatements, am Samstag machte sich Erleichterung breit. Sekretärin Christa Ternow wusste warum: „Ich hatte heute grüne Welle!“ – schaffe sie es ohne Ampelhalt bis zum Stadion, siege auch ihr Arbeitgeber: „Das Glück ist zurück“, freute sie sich – doch es wurde dazu gezwungen.

Zocker Peter Neururer hatte alles auf eine Karte gesetzt. Erschöpft wie ein Pokerspieler erzählte der VfL-Trainer nach dem 3:1 gegen Nürnberg von einem „Spiel mit dem Feuer“. Er hätte auch scheitern können, doch sein simulierter Trainerwechsel fruchtete: Nach der Auswärtspleite in Mainz, dem Abstiegsplatz und der Tragödie im Uefa-Pokal spielte Neururer mit Rücktrittsgedanken – doch nun erfand sich der Fußballlehrer neu und erinnert an den Schleifer Friedhelm Funkel.

Wie ein Diskursanalytiker hatte Neururer zu Beginn der Trainingswoche seine Spieler befragt: Was ein Trainerwechsel bringe? Die Profis antworteten wie bestellt: Ersatzspieler würden sich reinhängen, auch Stammspieler müssten sich erneut beweisen. Neururer klatschte in die Hände und rief „Klasse, so machen wir es!“ – mit einem Unterschied: Der Trainer bleibt.

Der neue Neururer verzichtete also auf seine Lieblinge Kapitän Dariusz Wosz und Peter Madsen, brachte Zvjezdan Misimovic und Tommy Bechmann sowie Marcel Maltritz als Zerstörer. Und offenbar funkelte es bei Maltritz besonders gut: Wie ein Derwisch fiel er über Toptorjäger Marek Mintal her, dass auch Gegnertrainer Wolfgang Wolf begeistert war: „Ich war auch kein Kind von Traurigkeit, das heutige Spiel hätte mir gelegen“. Aber leider habe es Schiedsrichter Stefan Trautmann versäumt, Maltritz zeitig die gelbe Karte zu zeigen. Bochum habe das ausgenutzt und das Spiel gewonnen. Dass sich auch der Dauerverwarnte Tomasz Hajto über Maltritz‘ Gangart ereiferte, gehört wohl in die Sparte Lob vom Fachmann. Weil sich zum Kampf, einigen feinen Misimovic-Pässen auch Vlatislav Lokvenc zur Fachkraft für Heimtore entwickelt, ging der VfL als klarer Sieger vom Platz.

Ohne Madsen und Wosz übernahm der Tscheche mehr Verantwortung, legte Zuspiele weniger blind ab und gewann ein ganz wichtiges Ballgestocher: Sein Flachschuss brachte die frühe Führung. Nach der Pause drängte Lokvenc über den Flügel in den Torraum und setzte den Ball aus spitzem Winkel an den Innenpfosten. Weil zuvor Raymund Kalla eine Ecke mit Hinterkopftreffer im Gegnertor unterbrachte, stand Bochums Sieg nach 50 Minuten fest.

Es war ein Sieg des erneuerten Trainers, dass zeigten auch die Einwechslungen: Filip Tapalovic und Michael Bemben kamen zu ersten Einsätzen, Thordur Gudjonsson konnte sein Saisonkonto von sieben Spielminuten um eine ganze Halbzeit aufstocken. Auch die drei Novizen warfen sich eifrig dem Club entgegen – nur Mintal konnte eine Kopfballstafette ins Tor köpfeln. Hajto traf die Latte in einem Kampfspiel, für das Bochums Torwart Rein van Duijnhoven die richtigen Worte fand: „Wir brauchen noch viele Punkte, um wieder feinen Fußball zu spielen – so sieht das halt Scheiße aus!“

Dass es beim VfL nicht um Schönheit geht, dass Neururer wohl auch sein Gerede von der hervorragenden Kader-“Qualität“ eingemottet hat, beweist die neueste VfL-Personalie: Zur Winterpause kommt der türkische Nationalspieler Fatih Akyel, ein eisenharter Verteidiger. Ob der nicht zu oft die rote Karte erhalte, wollte ein Reporter wissen. Neururer lächelte sein grimmigstes Schleiferlächeln: „Dann können wir ihn ja gut gebrauchen.“